Ein Geschwader im Umzugsstress

Aufgrund einer Rollbahnsanierung auf dem Flugplatz Laage stand das Taktische Luftwaffengeschwader 73 „Steinhoff“ im April vor einer großen Aufgabe. Um den reibungslosen Einsatz des Geschwaders weiter zu gewährleisten, erfolgte eine vorübergehende vierwöchige Verlegung der Fighter auf den Ausweichflughafen Holzdorf in Sachsen-Anhalt.
Jeder weiß nun aus dem eigenen Leben zu berichten, dass ein Umzug immer eine große Herausforderung darstellt. Mindestens zweimal im Leben vollzieht jeder von uns diesen Schritt, ein neuer Job, die große Liebe oder Wünsche nach Veränderung veranlassen uns dazu, diesen Schritt zu gehen.
Die Probleme, die dann bei der Organisation und dem Transport auftreten und das Zeitmanagement, das manchmal eng wird, all das bringt so manchen von uns an seine Grenzen. Für das Geschwader bedeutete das eine logistische Meisterleistung. Um in Holzdorf den Dienst fortsetzen zu können, wurden Flugzeuge dorthin überführt, Materialien und technisches Equipment von 120 Tonnen verstaut und ein Team von rund 200 Frauen und Männer benötigt.

Die Planung und Realisierung

Wird ein Geschwader verlegt, läuft oft die Vorgehensweise nach einem bereits festgelegten Verfahren ab. Oberstleutnant Sebastian Fiedler Kontingentführer und aktiver Eurofighter Pilot verriet mir: „Die Abläufe an sich sind Routine und es gibt in der Bundeswehr auch Prozesse die das ganze so beschreiben, das ich eigentlich die Schubladen nur aufmachen muss, um dann zu sagen, ein Verband oder ein Kontingent einer gewissen Größe zu verlegen, brauche ich Folgendes. Das Einzige was sich verändert ist der Ort …“
Für die anstehende Umsetzung des Geschwaders wurde der militärische Flugplatz in Holzdorf 6 km südwestlich von Schönewalde favorisiert. Ein Flugplatz, der bereits aus DDR Zeiten existiert und eine Start- und Landebahn von 2419 m besitzt. Damals fand das Jagdfliegergeschwader 1 dort seine Stationierung. Nach der Wiedervereinigung wurde der Platz immer wieder mehreren militärischen Veränderungen und Umbaumaßnahmen unterzogen. Heute beherbergt er ein Teil des Hubschraubergeschwaders 64 aus Laupheim, er sichert den Ausbildungsbetrieb des CH-53 und das modernste Air Command and Control System (ACCS) Europas kommt dort zum Einsatz. Jedoch gab es auf dem Platz noch keine große Eurofighter-Operation wie zum Beispiel in Decimomannu auf Sardinien, wo man mit einem ständigen Kommando vor Ort war, um die Ausbildung im Luft-Luft bzw. Luft-Boden Bereich zu gewährleisten und zu unterstützen.

Die Planung zur Verlegung wurde mit einer Vorlaufzeit von einem halben Jahr begonnen. Bei einer Vorortbegehung war abzuklären so Oberstleutnant Fiedler „was brauch man wirklich, welche Infrastruktur ist vorhanden, welche müssen wir mitbringen, was sind die Herausforderungen grad bei der militärischen Sicherheit“. Eine Verkürzung der Planungszeit wäre durchaus machbar gewesen, dies hätte aber erhöhte Kosten, mehr Personal und mehr Container mit sich gezogen.
Der eine oder andere wird sich nun fragen, wieso gerade Holzdorf zum Zuge kam und nicht Wittmund oder Neuburg. Die Gründe hierfür sind recht einfach, der stellvertretende Kommandeur der fliegenden Gruppe aus Laage meint hierzu „Wir haben hier einfach genug Platz, also erst mal stören wir kaum jemanden, weil natürlich die Holzdorfer dadurch das sie Hubschrauber hier betreiben und wir im Jet durch unsere unterschiedlichen Arten der Operationen eigentlich kaum in die Quere kommen. Wir haben hier eine Infrastruktur, die alles für uns bietet was wir brauchen, das heißt die Landebahn ist lang genug, die Oberflächen hier sind hart genug, wir haben genug Stellflächen, wir können hier Instrumentenanflüge durchführen wie wir es zu Hause auch können und wir haben die Möglichkeit unsere Infrastruktur IT etc. in eine bestehende Infrastruktur zu integrieren [..] und es ist trotzdem immer noch der Platz, der am nächsten dranne ist“.
Trotz guter Voraussetzungen am geplanten Standort mussten im Voraus noch einige zusätzliche Vorkehrungen für den Eurofighter getroffen werden. Auch bestimmte IT Anbindungen waren noch vonnöten, damit das Geschwader seinen Betrieb aufnehmen konnte.

Der voraussichtliche Verbleib des Geschwaders in Holzdorf wurde auf den 12. Mai 2017 datiert. Bis dahin sollten alle Arbeiten (Sanierung der Bahn, Erneuerung der Fanganlage , Zufahrt der Feuerwehr und die Tätigkeiten an den Aufsetzpunkten) in Laage abgeschlossen sein.
Da sich das Geschwader in Rostock / Laage den Flugplatz mit dem zivilen Bereich teilt, sollten Verzögerungen möglichst vermieden werden.
Oberstleutnant Sebastian Fiedler teilt uns hierzu mit. „Also auszuschließen ist so eine Verzögerung natürlich nie. Aber wir haben in Laage natürlich den großen Vorteil, dass wir da den zivilen und militärischen Flugbetrieb haben und die zivile GmbH vor Ort auch ein großes Interesse hat, das Infrastrukturmaßnahmen möglichst schnell abgeschlossen werden, denn die wollen auch Geld verdienen mit dem Flugplatz in Laage. Und sollte es zu Verzögerungen kommen, dann glaube ich nicht, dass es einen großen Zeitraum in Anspruch nehmen würde. Und wir können sicherlich auch noch ein bisschen Delay hinten ran legen“.

Die GmbH Flughafen Rostock-Laage-Güstrow rechnet in dem Zeitraum mit einem Ausfall von rund 70 Flügen. Frau Petra Proba, Manager Marketing und Presse schrieb uns hierzu „Die Bauarbeiten wurden bereits sehr langfristig geplant und koordiniert – optimierter Termin Baubeginn nach Ostern und Bauende direkt vor dem Start der Kreuzfahrtsaison 2017.“ weiter heißt es „Darauf abgestimmt starten unsere Airline-Partner nach den Bauarbeiten in den Sommerflugplan zu vielen attraktiven Reisezielen, mit Germania im Sommer zum Beispiel, ganz neu nach Wien und Zürich. Sommerzielen wie Mallorca, Antalya, Hurghada zwei Ziele in Bulgarien und drei griechische Inseln stehen auf dem Flugplan. Innerdeutsch wird zweimal täglich München angeflogen und auch Stuttgart jeweils Freitags und Sonntags.“
Als Mitbenutzer der Flugbetriebsflächen profitiert die GmbH langfristig von der Verbesserung der Infrastruktur und des Sicherheitsstandart, so Frau Proba.

Der Tag der Verlegung

Der Umzug begann mit einem Vorkommando in der 13. Kalenderwoche. Dabei wurde bereits ein Teil der Technik wie zum Beispiel der einfache Hammer bis hin zur Leiter für den Zustieg zum Eurofighter nach Holzdorf verfrachtet, sowie ca.100 Mann abkommandiert um die eigentliche Verlegung der 16
geplanten Eurofighter vorzubereiten. Die IT Technik wurde in die bestehende Infrastruktur integriert, Computer welche fürs Auslesen des Waffensystems oder zum Planen und Warten notwendig sind und auch kleine räumliche Anpassungen wurden schon vorgenommen, hierunter zählt das zur Verfügung stellen eines Gefechtsstandes. Am 06.04.2017 war es dann soweit, insgesamt 9 Maschinen wurden an diesem Tag in Laage circa 30 km südlich von Rostock für die Verlegung vorbereitet. Der Tag begann um 08:00 Uhr, eine Gruppe bestehend aus 5 Personen durfte den Tag der Verlegung mit begleiten. Auch mir kam die Ehre zu teil, dieses Ereignis mitzuerleben.

Wir bezogen unsere Position zunächst an den Boxen im Alpha Bereich, wo wir Frau Major Fitzer geborene Flender bei der Begutachtung und Abnahme ihrer für den Tag zugeteilten Maschine (30+45) fotografieren konnten. Routiniert lief Sie Punkt für Punkt die wichtigsten Stellen ihres Waffensystems Eurofighter Typhoon ab, den Fahrwerksbereich, die Nase mit ihren empfindlichen elektronischen Fühlern, das Triebwerk sowie Tragflächen und das Leitwerk.

Hauptfeldwebel und Fluggerätemechaniker Falk Merkel, der uns an diesem Tag in Laage mit begleitete, sagte uns „Bei uns wäre es zum Beispiel so, eine ganz normale Frühschicht würde um 06 Uhr anfangen […], da ist es zum Beispiel so, das Briefing findet statt, der Flightchef der hat das Personal dann praktisch eingeplant, dann sehe ich, welche Maschine ich habe und in Abhängigkeit was für Arbeiten an der Maschine noch anstehen bekommst du deine Maschine. Und du hast ganz normal deine Vorfluginspektion durchzuführen und dafür brauchst du, wenn alles gut geht, eine drei viertel bis eine Stunde“.
So ist es das die Piloten ca. 35 min vor Flugbeginn erst ihre Maschine in Empfang nehmen. Oberstleutnant Sebastian Fiedler, welcher seine Ausbildung zum Eurofighter 2016 erfolgreich abgeschlossen hat, beschrieb uns die Sache aus seiner Sicht: „Nehmen wir mal den Flugschüler, der ist ja quasi unser Hauptklientel, der kommt morgens wenn er in der ersten Runde, wie wir es nennen draufsteht, normalerweise 6, 6:30 Uhr je nachdem, wann unsere Startzeiten geplant sind, ins große Inbriefing. Da gibt es ein Wetterbriefing, da gibt der Flugdienstleiter bekannt, wie der Flugdienst für den Tag ausschaut. Und danach gehen die Flugschüler in Ihre Flightbriefings. Das heißt, da werden dann ihre separaten taktischen Aufgaben von ihrem Flight Lead und Fluglehrer gebrieft und die werden dann auch vorbereitet. Das Ganze kann man sagen dauert dann nochmal circa 1 ½ bis 2h, also ist sehr detailreich.“
Unterdessen signalisierte Frau Fitzer alles in Ordnung und bestätigte der Wartungscrew die äußerliche Unversehrtheit der Maschine und stieg über die integrierte Leiter in die Maschine ein. Die normalerweise genutzte Leiter, die ein einfacheres Einsteigen ermöglicht ist bereits am neuen Fliegerhorst Holzdorf. Wenige Minuten später, die Gurte waren angebracht, startete Sie die APU (Auxiliary Power Uni), die Hilfsturbine wird benötigt, um später die Haupttriebwerke zu starten und das Flugzeug mit Strom zu versorgen. Nach einer kurzen Aufwärmphase und dem kurzen Check im Cockpit zündete Sie die Haupttriebwerke. Das anfangs noch ertragbare Grollen beim Hochfahren verwandelt sich schnell in einen hochfrequentierten Pfeifton, welcher ausschließlich mit Gehörschutz zu ertragen war. Der leicht ölige Kerosinduft wehte uns dabei langsam um die Ohren. Kurze Zeit später prüften die beiden Techniker der Wartungscrew, den Taxiway ob dieser frei war und winkten die 30+45 aus ihrer Box. Ein letzter Abschied, ein „Streichler“ an der Flügelspitze und die Maschine rollte zur Last Chance. Auch wir bezogen nun Position an der Last Chance. Für uns die letzte Möglichkeit die Maschine bei ihrer Überprüfung zu beobachten. Routiniert kontrollierte die Crew ein letztes Mal das Waffensystem und signalisiert mit dem Daumen nach oben, alles o.k. Allerdings
musste Major Fitzer bis zum „Line Up“ noch warten, es folgten 5 weitere Eurofighter, die jeweils aus dem Alpha und Bravo Bereich zu uns stießen.

Schweinchen „Mutig“ lässt Geschwader nicht ziehen

Nach der abschließenden Prüfung von den Maschinen 2 und 3, welche sich anschließend direkt auf den Weg nach Holzdorf machten, sollte ein für uns alle unerwarteter Gastauftritt unsere ganze Aufmerksamkeit erfahren. Schweinchen „Mutig“ wie es liebevoll die Onlineausgabe der Dresdner Morgenpost nannte ( der Kranich berichtete auf seinem Social Media Account bei Facebook sowie auf seiner Webseite ), durchquerte plötzlich die Last Chance. Sichtlich irritiert und abseits der Mutter nahm es den direkten Weg zum Bugrad der Maschine 30+45 wo Frau Major Fitzer die letzten Vorbereitungen für das „Line Up“ traf.
Durch die schnelle Reaktion und das Eingreifen vom Wart Tony N. konnte das Tier vorerst gesichert und später dem Jäger übergeben werden. Ein Geschwadersprecher versicherte uns, dass der Frischling nicht in der Pfanne landet, sondern einem Jäger zur Aufzucht übergeben wurde. Schwein gehabt! Mit etwas Verzögerung und Happy End konnte nun auch die 34 jährige Frau Major ihre Maschine zum „Line Up“ auf die Runway bewegen und sich die Freigabe vom Tower zum Start einholen. Nicht wie sonst üblich, stieg auch die letzte Maschine von insgesamt 6 an diesem Vormittag auf und bog gen Ostsee ab, sondern zog eine Linkskurve wie die fünf Maschinen vor ihr, Richtung Holzdorf.

Starker Abschied vom Standort

Nach einer Stärkung im Bistro des Geschwaders bezogen wir erneut Position auf dem Flugfeld, dieses Mal allerdings im Delta Bereich, wo uns die Sonne mit ihrer vollen Kraft den Rücken wärmte und die anrückenden Maschinen für uns im perfekten Licht erschienen ließ. Die Waffensysteme vom Typ Eurofighter 30+92, 30+49, 30+84 bezogen nach ihrer Prüfung auf der Last Chance ihre Position zum „Line Up“ auf der Start- und Landebahn. Von uns nicht erwartet, zogen alle 3 Systeme nacheinander mit 2 mal 90 kN ( ca. 75000 PS und mehr ), sprich mit Nachbrenner an uns vorbei hoch in den Himmel. Im besten Sonnlicht verabschiedeten sich die 3 Eurofighter symbolisch vom Standort, bis sie wenige Minuten Flugzeit später in Holzdorf sicher landeten.
Mit interessanten Gesprächen und starken Bildern ging damit auch für uns der erste Reportagetag zu Ende. Mit leider nur 120PS und einigen Stunden Fahrzeit vor uns liegend, machten wir uns auf den Heimweg um am nächsten Tag in Holzdorf sein zu können.

Regnerische Ankunft in Holzdorf

Der größte Teil der Maschinen, 9 der geplanten 16 Eurofighter nahm den Kurs am 06.04.2017 Richtung Holzdorf. Dort wurden sie vom Brigadegeneral Günter Katz in Empfang genommen.
Wir konnten allerdings nur noch den symbolischen Aspekt der Ankunft für euch dokumentieren und reisten am darauffolgenden Tag in Holzdorf an. Um 08:00 Uhr empfing uns Major Mario Lehmann (stv. Presseoffizier Verlegung Eurofighter) sowie Hauptmann Finke am Fliegerhorst Holzdorf. Der
Himmel begrüßte uns an diesem Tag sehr verhangen und regnerisch, er ließ leider wenig Spielraum für sonnenreiche Fotos.
Nach einer kurzen Abstimmung, welche Fotopunkte für uns interessant wären, nutzen wir die Gelegenheit die Eurofighter auf der Platte, welche für mehrere A400 ausgelegt ist, abzulichten. Dabei kam der Regen doch gerade recht. Auf dem nassen Beton spiegelten sich die in zwei Reihen stehenden Fighter und die Wartungscrew, die gerade fünf Maschinen für den ersten Start an diesem Morgen vorbereiteten. Auch mit dabei Frau Fitzer, welche beim ersten Sortie ( Runde ) wieder Ihre Maschine 30+45 besetzte. Gegen 09.00 Uhr gingen dann die vier Eurofighter „airborn“. Die aufgewirbelte Gischt lieferte hierbei Abwechslung und schöne Bilder. Nun hieß es 1 Stunde und 30 Minuten warten, denn dann sollten die soeben gestarteten Eurofighter plus einer weiteren Maschine wieder zurückkommen.
Zum Abschluss des Tages, nicht ganz unerwartet signalisierte uns der Tower eine Luftnotlage.
Es war jedoch nur eine Übung, der Pilot gab Rückenprobleme an. Durchaus ein vorstellbares Szenario, wenn man überlegt das bei möglichen Luftkämpfen der Pilot dem 9 fachen seines Gewichtes ausgesetzt ist, umgangssprachlich auch G-Belastung genannt.
Hauptmann Finke teilte uns hierzu mit, das insgesamt zwei Übungen geplant waren. Die Erste wurde bereits am Vortag vollzogen, denn auch die zweite Schicht der Feuerwehr sollte die Gelegenheit bekommen die Abläufe zu üben.
Mit dieser Übung, welche wir leider nur aus der Ferne beobachten konnten, endete unser besonderes Erlebnis der Verlegung des Taktischen Luftwaffengeschwader 73 „Steinhoff“ von Rostock / Laage nach Holzdorf.
Wir bedanken uns an dieser Stellen herzlich für das entgegengebrachte Vertrauen, sowie bei allen beteiligen Personen für die erstklassige Unterstützung. Es war uns eine Freude mit Ihnen die beiden Tage gemeinsam zu bestreiten. Vielen Dank hierfür.

Categories: Berichte

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